Je mehr Zeit verstreicht, seit die Credit Suisse auf Geheiss der Behörden in Bern in die Arme der UBS getrieben wurde, desto widersprüchlicher erscheint dieser Entscheid. Vor allem wenn man das Schicksal der CS mit demjenigen der Tessiner BSI vergleicht, findet der italienische Finanzjournalist Gabriele La Monica im Gespräch mit finews.ch.

Die älteste Bank im Tessin, die Banca della Svizzera Italiana (BSI), wurde 1873 in Lugano gegründet und 2016 durch Entzug der Lizenz von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht geschlossen. Grund dafür war der Finanzskandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB (1 Malaysia Development Berhad).

Dabei hatte der damalige malaysische Premierminister Najib Razak rund 4 Milliarden Dollar veruntreut und dieses Geld unter anderem bei verschiedenen Schweizer Banken deponiert. Sehr hohe Beträge fand man bei der BSI.

Besonders schweres Fehlverhalten

Die Finma stellte ein «besonders schweres Fehlverhalten» der BSI fest und warf ihr «schwerwiegende Mängel» bei der Bekämpfung der Geldwäscherei vor. Die spätere Übernahme der BSI durch die Schweizer Privatbank EFG International genehmigte sie nur unter der Bedingung, dass das Tessiner Finanzinstitut vollständig in die EFG integriert und innerhalb von zwölf Monaten aufgelöst werde.

Was dann auch geschah, angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe an die Adresse der BSI.

Harte Höchststrafe

«Rückblickend und im Vergleich zu den Skandalen rund um die Credit Suisse (CS) wirkt diese von der Finma ausgesprochene Höchststrafe doch als sehr hart», erklärt der italienische Finanzjournalist Gabriele La Monica im Gespräch mit finews.ch. Er leitet die Mailänder Redaktion der italienischen Nachrichtenagentur «Milano Finanza (MF)/Dow Jones».

Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Finma noch am 15. März 2023 bestätigte, dass die CS die besonderen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken erfülle – dies nur vier Tage vor der am 19. März 2023 dann verordneten Zwangsübernahme durch die UBS.

Happige Vorwürfe

Eine einfache Archivrecherche zeige überdies, dass die Finma schon viel früher hätte resolut handeln müssen, sagt La Monica weiter. Vor zwei Jahren, also 2021, war die CS in den Zusammenbruch des US-Hedgefonds Archegos Capital Management verwickelt, bei dem sie 5,5 Milliarden Franken verlor. Die US-Börsenaufsicht SEC erhob in ihren Ermittlungen happige Vorwürfe, darunter Erpressung, Geldwäscherei, Betrug und Marktmanipulation.

Kurze Zeit später folgte der Skandal um die Lieferketten-Fonds der Firma Greensill. In ihrer Untersuchung stellte die Finma fest, dass die CS «teilweise falsche und zu optimistische Angaben» über ihr Engagement in diese Anlagevehikel gemacht hatte. Die von den Behörden festgestellten Fakten liessen schon damals wenig Raum für irgendwelche Zweifel an der Dimension dieser Betrügereien, betont La Monica.

Warnungen ignoriert

Wie erinnerlich ignorierte ein Top-Manager der CS die Empfehlungen eines Risikomanagers im eigenen Haus, nachdem dieser eine ganze Reihe von Unregelmässigkeiten identifiziert und vor einer weiteren Vergabe von Krediten gewarnt hatte. So nahm das Unheil seinen Lauf.

Im Jahr 2021 ging die vom australischen Financier Lex Greensill gegründete Firma Greensill Capital in Konkurs, was der CS einen Milliardenverlust einbrockte, und sie bis heute nur einen Teil der investierten Kundengelder zurückgewinnen konnte.

Geld aus Kokainschmuggel gewaschen

Die Finma stellte in ihren Untersuchungen fest, dass die Schweizer Grossbank ihre aufsichtsrechtlichen Pflichten, Risiken angemessen zu erkennen, zu begrenzen und zu kontrollieren, «schwer verletzt hatte». Gleichwohl stand ein Entzug der Banklizenz in diesem Fall nie zur Diskussion, wie La Monica konstatiert.

Doch damit nicht genug. Am 27. Juni 2022 fällte das Bundesstrafgericht in Bellinzona ein Urteil, in welchem die CS für schuldig befunden wurde, dem bulgarischen Drogenhändler Evelin Banev geholfen zu haben, sein durch Kokainschmuggel verdientes Geld zu waschen. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Bankinstitut in der Schweiz der Geldwäscherei für schuldig befunden wurde.

Ungerechte Rettung

«Die Rettung der CS aus Sicht derjenigen, die seinerzeit mehrheitlich unverschuldet ihre Existenz bei der zwangsgeschlossenen BSI verloren, erscheint tatsächlich ungerecht. Sie erweckt den Eindruck, als ob die Finma mit zweierlei Ellen gemessen hätte», sagt La Monica.

 

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