Beim ersten Auftritt auf der «Watches & Wonders»-Messe hatte die in Genf ansässige «Raymond Weil» ihrem Stand an der Peripherie des Messegeländes. Doch bei der Aufmerksamkeit von Brancheninsidern und Journalisten konnte das Haus  mit den grossen Playern mithalten. Dies liegt auch an dem charismatischen CEO, dem jugendlichen Elie Bernheim, der das Familienunternehmen in dritter Generation führt. Im Gespräch mit finews.ch in Genf erläutert er die Neo-Vintage-Philosophie und erklärt, warum er optimistisch auf die Zukunft der Branche blickt – und was das unabhängige Familienunternehmen einzigartig macht.

Unter den Premium-Marken des Einstiegssegments verkörpert «Raymond Weil» eine jahrzehntelange Begeisterung für die schönen Künste, insbesondere für die Musik. Die Kollektionen der «Maison» tragen Namen wie «Tango», «Toccata» oder «Maestro». Zum ersten Mal nimmt die Marke unter der Leitung von CEO Elie Bernheim an der Genfer Uhrenmesse teil.

Herr Bernheim, Ihre Marke debütiert auf der «Watches & Wonders». Welche Botschaft haben Sie?

Wir sind geehrt und stolz darauf, an dieser Messe teilzunehmen, einem Höhepunkt innerhalb der Branche. Da sich die Uhrenwelt in Genf trifft, dem Heimatort unserer Marke, ist uns die Entscheidung zur Teilnahme leicht gefallen.

An den ersten beiden Ausgaben der Messe wurde «Raymond Weil» allerdings vermisst.

Die erste Ausgabe im Jahr 2022 überlappte noch etwas mit der COVID-19-Pandemie. Da gab es noch Unsicherheiten hinsichtlich der Tragfähigkeit traditioneller Messekonzepte. Mir ist dann rasch der unersetzliche Wert menschlicher Interaktion und des direkten Dialogs klargeworden. Dadurch  festigte sich mein Entschluss zur Teilnahme. Bedauerlicherweise verhinderten logistische Einschränkungen unsere Beteiligung im vergangenen Jahr. Jetzt nutzen wir erstmals die Gelegenheit.

Zeigt dies auch eine neue Ambition Ihrer Marke?

Eher eine Fortsetzung unserer Ambitionen. Bereits auf der früheren «Baselworld»-Messe waren wir mehrere Jahre lang mit einem grossen Stand präsent.

Welches Modell steht bei Ihrem Auftritt in Genf im Vordergrund?

Ganz klar die«Millesime» als unsere jüngste Errungenschaft bei den handgemachten Uhren. Wir haben sie bereits letztes Jahr eingeführt und damit grosse Aufmerksamkeit erregt. Eine Sternstunde war sicherlich ihre Auszeichnung mit dem «Grand Prix d'Horlogerie de Genève (GPHG)» in der Kategorie Challenge, in der Uhren unter 2.000 Schweizer Franken prämiert werden. Diese Kollektion, die in einem Preisbereich von 1,000 bis 4,000 Schweizer Franken liegt, wobei der Durchschnitt rund 2,000 Schweizer Franken beträgt. Das symbolisiert genau das, wofür unsere Marke steht.


«Ein Beweis für unser Engagement für Innovation bei der Neo-Vintage Ästhetik»


Darüber hinaus haben wir die Kollektion in diesem Jahr erweitert mit verschiedenen Variationen und Komplikationen, darunter eine neue Mondphase und einen 39-Millimeter-Chronographen – damit untermauern wir unser Engagement für Innovation im Bereich der Neo-Vintage-Ästhetik.

Was bedeutet das?

Neo-Vintage bedeutet eine harmonische Fusion traditioneller Uhrmacher-Codes mit einem zeitgenössischen Rahmen. Inspiriert von den ikonischen Merkmalen der 1950er und 1960er Jahre belebt unsere Interpretation diese zeitlosen Designs neu und verleiht ihnen eine moderne Sensibilität.

Welche Modelle aus Ihrer Kollektion würden Sie für Leute empfehlen, die in der Finanzindustrie arbeiten?

Derzeit sicherlich die «Millesime» als Inbegriff von Vielseitigkeit und Raffinement, die den anspruchsvollen Geschmack für beide Geschlechter anspricht. Mit einer breiten Palette von Grössen und Komplikationen – von 35 bis 39 Millimetern – verkörpert sie Raffinesse und Eleganz, was sie für den Schweizer Markt und für die Finanzbranche sehr empfliehlt.

Wie nehmen Sie familiengeführte Uhrenmarke die aktuelle Situation der Branche wahr?

Wir sind stolz auf unsere Stellung mit einer jährlichen Produktion von immerhin 80'000 Stück. Die Unabhängigkeit von den Zwängen der Börse  ermöglicht es uns, strategische Entscheidungen mit einem langfristigen Blickwinkel zu treffen. Während grössere Konglomerate Synergien aufweisen mögen, haben wir andere Vorteile.

Wie hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren entwickelt?

Zwischen 2021 und 2023 verzeichneten wir ein kontinuierliches Wachstum, wobei das erste Quartal 2024 weiterhin positive Signale aussendet. Insbesondere war unsere starke Position im US-Markt mit seiner robusten Wirtschaft unserer Entwicklung förderlich.  


«Unsere Starke Position im US-Markt war der Entwicklung förderlich»


Im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern konnten wir die Schwankungen im chinesischen Markt geschmeidig meistern.

Mit Blick auf die eher getrübte Stimmung in der Branche: Wie sehen Sie die nähere Zukunft?

Es gibt verschiedene Faktoren, die die Stimmung in der Branche zurecht negativ beeinflussen: Zinsdynamik, Währungsschwankungen und geopolitische Unsicherheiten. Aber man muss auch sehen, dass die letzten Jahre von aussergewöhnlichem Wachstum geprägt waren. Ich bleibe optimistisch. Eine mögliche Konsolidierungsphase, obwohl in manchen Kreisen als ungünstig betrachtet, könnte langfristig strategische Vorteile eröffnen.

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Preisträchtig: «Millesime» von Raymond Weil. (Bild zVg)

Welche entscheidende Lektion haben Sie eigentlich von Ihrem Vater gelernt?

Das Leitprinzip, das mir mein Vater und auch mein Grossvater, Raymond Weil, vermittelt haben, dreht sich um eine umsichtige Risikobewertung bei gleichzeitiger Sicherstellung einer ansprechenden Rendite. Jede Entscheidung muss durch die Brille der langfristigen Lebensfähigkeit betrachtet werden, wenn das Erbe und die familiäre Kontinuität bewahrt werden soll. Ich möchte derjenige sein, der den Stab an die nächste Generation weitergibt. Als dritter in der Abfolge möchte ich sicherstellen, dass es auch einen vierten gibt.


Elie Bernheim ist der Enkel von Raymond Weil, dem Namensgeber und Gründer der Uhrenmarke. Im Jahr 2014 übernahm Bernheim als CEO die Leitung des Familienunternehmens von seinem Vater, Olivier Bernheim. Nach seinem Abschluss an der renommierten «EHL Hospitality Business School» im Jahr 2006 wurde Elie Bernheim zur Schlüsselperson bei der Sicherstellung der Kontinuität im Unternehmen. Als analytischer und pragmatischer Kopf verkörpert er gleichzeitig die in der Familie liegende Tradition der Leidenschaft für Kunst und Musik, die sich auch in der Produktentwicklung und im Marketing von «Raymond Weil» äussert.  Das Wirtschaftsmagazin «BILANZ» schätzt das Vermögen der Familie Bernheim, das aus ihrer Uhrenproduktion stammt, auf zwischen 200 und 300 Millionen Schweizer Franken.